Wer kann mit offenen Augen schlafen?
Wahrscheinlich keiner von uns. Aber Kinder mit Absencen-Epilepsie sind vielleicht diejenigen, die diesem Zustand am nächsten kommen. Wenn wir einschlafen, durchläuft unser Gehirn Schritt für Schritt verschiedene Schlafphasen, bis wir ganz im Schlaf versunken sind. Bei Kindern mit Absencen springt das Gehirn plötzlich vom Wachzustand direkt in eine Art Schlafphase wodurch sich der Bewusstseinszustand der Kinder schlagartig verändert. Für ein paar Sekunden verharren sie in ihrer Handlung. Haben sie gerade noch gesprochen, so stoppen sie plötzlich mitten im Satz und starren in die Ferne – so als würden sie mit offenen Augen schlafen.
Für weitere Informationen:
Orpha.net Eintrag: Absencen-Epilepsie des Kindesalters
A-Symmetrie
Die Symmetrie des menschlichen Körpers ist uns vertraut: wie entlang eines Spiegels durch unsere Körpermitte sind unsere Arme und Beine, Augen und Ohren angeordnet. Manchmal liegen die Dinge aber auch anders und die vertraute Symmetrie wird durchbrochen, wie z.B. beim sogenannten Waardenburg Syndrom.
Hierbei kommt es im Rahmen der Entwicklung des Embryos zu einer ungleichmässigen Verteilung von Ursprungszellen, die unter anderem für die Hautfarbe, Haarfarbe und Augenfarbe wichtig sind. An manchen Körperstellen fehlen diese Zellen oder sind in ihrer Funktion verändert. Dadurch haben z.B. schon Kinder eine graue Stirnlocke, kommen mit zwei verschiedenen Augenfarben oder ungleichmäßig verteilten helleren Hautarealen auf die Welt.
Asymmetrie im menschlichen Körper, mag uns im ersten Moment besonders auffallen oder sogar erschrecken, macht aber nur die Einzigartigkeit jedes einzelnen von uns besonders sichtbar. Sie fordert uns auf, weiter als nur mit den Augen zu sehen.
Für weitere Informationen: Orpha.net Eintrag: Waardenburg-Syndrom
Wenn sich das Innere nach Außen kehrt
Es mag unglaublich klingen, aber es gab eine Zeit in unserem Leben, als sich der Darm außerhalb unseres Körpers befand. Während der ersten Schwangerschaftswochen wachsen neben verschiedenen Organen auch die Darmschlingen im Körper des Embryos heran. Die Darmschlingen gewinnen im Verlauf schnell an Größe und Länge. Da die Bauchhöhle des Embryos aber nicht mit der gleichen Schnelligkeit wächst, ist zwischen der 6.-8. Schwangerschaftswoche nicht mehr genug Platz für den ganzen Darm. Dieser bricht daher aus der Körperhöhle heraus und wächst solange vor dem Bauch in der Nabelschnur weiter, bis die Bauchhöhle ausreichend nachgewachsen ist und wieder genug Platz hat. Dann kehrt der Darm in die Bauchhöhle zurück. In seltenen Fällen scheitert die Rückverlagerung, so dass Kinder mit einer sogenannten Omphalozele auf die Welt kommen. Der Darm und manchmal auch weitere Organe befinden sich dann nicht im Körper, sondern haben sich in einer Höhle der Nabelschnur weiterentwickelt.
Wenn wir jetzt unseren eigenen Bauch betrachten und alles an Ort und Stelle liegt, dann hat bei uns dieser komplexe Vorgang im Mutterleib perfekt funktioniert.
Weitere Informationen:
Orpha.net Eintrag DE: Omphalozele
knw Kindernetzwerk e.V: Omphalozele
Gebrochene Herzen
Herzschmerz – wer kennt es nicht, dieses den ganzen Körper einnehmende Gefühl, wenn das Herz bricht? Es inspirierte über die Jahrhunderte hinweg Songtexte, literarische Werke und künstlerisches Schaffen. Und tatsächlich findet der Herzschmerz sich auch in der Medizin wieder. Allerdings nicht als ein metaphorisch gemeintes Gefühl, sondern als der Schmerz wenn das Herz im wahrsten Sinne des Wortes bricht: Das sogenannte „Syndrom des gebrochenen Herzens“ auch Tako-Tsubo-Kardiomyopathie genannt, ist eine seltene, akut eintretende, schwere Funktionsstörung des Herzens, die durch starke Gefühle und emotionalen Stress ausgelöst werden kann. Tiefe Trauer, schwere Verluste oder traumatische Ereignisse von Gewalt führen in seltenen Fällen, vor allem bei Frauen, zu einer Schwäche der Herzpumpleistung. Es treten Herzrhythmusstörungen auf und es droht ein plötzlicher Herztod.
Auch wenn das Zitat, die Zeit heilt alle Wunden, nicht immer zutreffend ist, so weiss man, dass bei dieser Krankheit, die gebrochenen Herzen mit Behandlung und Geduld zumeist innerhalb von wenigen Monaten wieder vollständig verheilen.
Weitere Informationen:
Orpha.net Eintrag DE: Tako-Tsubo-Kardiomyopathie
Orpha.net Classification EN: Tako-Tsubo cardiomyopathy
Das fehlende Lächeln
Die Fähigkeit zu Lächeln und Mimik einzusetzen ist entscheidend von der Funktion unserer Gesichtsnerven, insbesondere vom Nervus facialis abhängig.
Beim sogenannten Möbius-Syndrom ist dieser Gesichtsnerv, manchmal auch neben weiteren Nerven, in der Embryonalentwicklung nicht vollständig angelegt worden. Betroffene Kinder kommen mit einer Lähmung der Gesichtsmuskulatur auf die Welt, so dass ihr Gesicht wie eine Maske verharrt: Sie können nicht lächeln, die Stirn nicht runzeln, ihre Augenbrauen nicht heben und ihre Augen nicht vollständig schliessen. Ihre Gefühle und Regungen lassen sich durch die fehlende Mimik nicht im Gesicht ablesen, so dass die gewöhnliche Interaktion mit anderen Menschen erschwert ist.
Aber ist Kommunikation nicht viel mehr als nur Mimik?
Weitere Informationen:
Orpha.net Eintrag: Möbius-Syndrom
Moebius Syndrom Deutschland e.V.
Alles ist im Fluss
Auf welcher Seite liegt das Herz? Die meisten beantworten diese Frage mit ‚links‘. Bei ungefähr 1 von 20000 Menschen ist das aber die falsche Seite, denn manchmal haben Organe und auch das Herz im Körper die Seiten gewechselt. Verwirrt?
Am besten wir gehen einmal ganz an den Anfang: Woher weiss eigentlich der Embryo wo links und wo rechts ist und auf welcher Seite das Herz wachsen soll? Mit verantwortlich für die faszinierende Antwort auf diese Frage ist ein Knoten, der in der frühen Embryonalphase entsteht. Dieser winzige Knoten ist mit Flüssigkeit gefüllt und in ihm befinden sich Flimmerhärchen, sogenannte Zilien. Das Geheimnis der Organverteilung liegt in der Richtung des Zilienschlages und der dadurch ausgelösten Flüssigkeitsbewegung in diesem Knoten. Wird die Flüssigkeit entgegen dem Uhrzeigersinn bewegt, so entsteht das Herz auf der rechten Seite. Wenn sich die Richtung des Flüssigkeitsflusses hingegen ändert, kann es zu einem sogenannten Situs inversus kommen: Das Herz und sogar andere Organe liegen spiegelverkehrt im Körper. Den Menschen sieht man das meistens nicht an.
Für weitere Informationen:
Achse Eintrag: Kartagener Syndrom und Primäre Ciliäre Dyskinesie e.V.
www.kartagener-syndrom.org
Orpha Eintrag Heterotaxie